Die letzte Woche in Australien ist angebrochen. Ich habe längst nicht so viele Blogartikel geschrieben wie anfangs gedacht. Gedacht… Die Reise und der Großteil der damit verbundenen Erlebnisse ist in einer Kategorie „jenseits von gedacht“. Bevor wir ins letzte fünftägige Training eintauchten, waren wir unterwegs an der Westküste von Victoria. Dort gibt es Restbestände von gemäßigtem Regenwald mit Bäumen, die bis zu 100 Meter Höhe erreichen können, den Mountain Ash Eukalyptus-Riesen. Die bodennäheren Bereiche sind üppig mit Baumfarnen bewachsen. Üppig in unseren Augen. Vermutlich eher karg in Verhältnis zu dem, wie diese Wälder vor ca. 200 Jahren noch waren. Nach einem extrem heißen Sommer und einen bislang eher trockenen Herbst rinnt das Wasser dort eher heimlich und es tropft nicht wirklich von den bemoosten Stämmen. Während ich dazu den einen oder anderen Gedanken bewege – inklusive dem, mit welchem Recht ich in den Wäldern herumlaufe, ich, die ich mit einem Transportmittel hierher gekommen bin, das zur Klimaveränderung beiträgt – fällt mein Blick auf die Pflanze, die das Edelstahlgeländer „aufisst“. Auf den Buschpfaden in den Nationalparks gibt es viele Stege, die den Boden vor dem Verdichten und so das Wurzelwerk der Bäume schützen. Geländer aus Holz hätten dort nur eine geringe Lebensdauer. Wie anpassungsfähig ist die Natur… und wo sind die Grenzen?
An anderer Stelle – beim Ausblick auf einen wunderschönen Wasserfall – treffe ich auf ein Zeugnis menschlicher Verwirrung. Was sucht ein Hangschloss an einem Geländer mitten im Urwald? Wo ist der Schlüssel dazu gelandet? Was war die Absicht der Person, die es dort hinterlassen hat? Und in welcher Art der Beziehung stand diese mit den Ort in Verbindung – oder auch nicht? Ich merke, dass die Dummheit der menschlichen Spezies mich bisweilen in den heiligen Zorn bringt. Und dann atme ich weiter und erinnere mich daran, dass ich zur selben Spezies gehöre. Und ich nicht wissen kann, inwieweit meine Handlungen aus einer anderen Perspektive unsinnig, ignorant und verfehlt erscheinen mögen.

Das Warnschild mit der Klippe jedenfalls hat für mich an der Stelle ein recht metaphorische Bedeutung. Im Possibility Lab stürzen sich mutige Pioniere von den Klippen des bisher Bekannten, um der Intensität des Lebens auf neue Weise Raum zu geben. Die Heldenreise führt uns in die menschliche Unterwelt. Zurückkommen 20 Teilnehmer und wir gestärkt, inspiriert und anders in Beziehung zu uns selbst und einander. Das gilt auch für die körperliche Befindlichkeit des einen oder anderen: Mit im Raum sind u. a. massive Rückenschmerzen mit Bewegungsunfähigkeit und eine nicht heilen wollende Achillessehnen-Zerrung. Für beides stehen wir mit unseren Erfahrungen aus der Feelings Practitioner Arbeit zur Verfügung. Wir schieben eine nächtliche Sonderschicht zwischen 3 und 6 Uhr. Ein Klapptisch wird zur Trage umfunktioniert, mit einer Matratze gepolstert und so wird J. mehrfach zwischen Trainingsraum und Lodge hin- und hergetragen. Heilen kann ihr „ich mache immer alles alleine“ und damit auch viele kleine und größere Wunden ihres bewegten 60-jährigen Lebens. Irgendwann verlässt sie ihre Trage – und geht. Sie ist ihrer größten Angst begegnet – andere Menschen zu brauchen. Das Lab endet mit der Welturaufführung des „Rage Hold Songs“, der in mir noch tagelang nachsummt.

Aktuell geben wir noch das eine und andere Einzelcoaching bzw. Feelings Practitioner Sessions. Das Trainer Training am Sonntag ist erfreulicherweise ausgebucht.  Privat treffen wir Teilnehmer zum Spazieren, Kochen, Austauschen und Spinnen neuer Fäden.

Es ist sehr seltsam, dass diese lange Zeit hier bald enden wird. Doch jetzt gerade gilt: Hut nehmen und raus! Denn das Wetter hat gerade zum zehnten Mal heute gewechselt und es locken Sonnenschein, Wind und Wolken. Denn es ist Herbst in Australien – und der Eukalyptus blüht!